Senenmut

last update: 18.10.2009
 

Senenmut und Hatschepsut

 

Unzweifelhaft hat Senenmut eine große Karriere gemacht. Als Sohn unbedeutender Eltern gelangte er schließlich ins Zentrum der Macht. Der Anfang seiner Karriere liegt im Dunkeln, möglicherweise begann sie als Soldat, aber sie führte ihn schließlich über Positionen wie die eines "Haushofmeisters der Gottesgemahlin" und "Haushofmeisters der Königstochter", die Stellung als Erzieher der "Königstochter" Neferu-Ra, u. a. in das Amt des "Vermögensverwalters des Amun". 
 
Selbstverständlich hat sich diese Karriere im Schatten der Herrschenden entwickelt. Aufgrund der Fülle von Vergünstigungen für und der Ämterhäufung bei Senenmut ist immer wieder versucht worden, die zu vermutende Protektion durch Hatschepsut auf die Ebene einer sexuellen Beziehung zu ziehen. Selbstverständlich kann eine sexuelle Beziehung zwischen Hatschepsut und Senenmut nicht ausgeschlossen werden, aber umgekehrt erscheinen die aufgeführten "Indizien" doch recht willkürlich interpretiert - oder gar chauvinistisch. 
 
So werden z.B. die Würfelhockerdarstellung die Senenmut mit Neferu-Ra zeigen, wie die unten aus Berlin (siehe auch Kryptogramme auf Erzieherstatuen des Senenmut), häufig als Beleg für eine Vaterschaft des Senenmut herangezogen, da er in dieser Darstellung die Prinzessin wie ein Vater schützend umfängt.

 Würfelhockerstatue des Senenmut und Neferu-Ra, Ägyptisches Museum, Berlin Nr. 2296
 
Allerdings wird hier immer wieder "vergessen", dass die Erzieher (Tutoren = Ammen) zu der damaligen Zeit besonders geschätzt wurden, wie die "Vergünstigungen" für Sat-Ra, die Amme der Hatschepsut, zeigen. Diese erhielt ein Grab im Tal der Könige und eine Sitzstatue, die sie mit der kleinen Hatschepsut auf dem Schoss zeigt. Diese war vermutlich in der Hathor-Kapelle von Djeser djeseru aufgestellt worden.

In dieser Diskussion tauchen immer wieder die erotischen Graffiti aus einer Grotte (siehe folgendes Foto) oberhalb des Tempels der Hatschepsut, Djeser djeseru, auf. Die Grotte liegt in der nördlichen Wand des Talkessels etwa auf der Höhe der oberen Terrasse und ist östlichste Kammer in einer Reihe von Grabkapellen aus der 11. Dynastie (Wente, 1984; siehe dazu auch Porter&Moss, Bd. I-2, S. 658, Graffiti in Deir el-Bahari, wo die Grotte als Grab 504 bezeichnet wird). Die Kammer ist unvollendet und diente im Neuen Reich offensichtlich als "Aufenthaltsort" für Beamte und Priester der benachbarten Tempel. 

Laut Wente (1984) finden sich in der Grotte zahlreiche Darstellungen, selbst die Decke ist als Malfläche benutzt worden. Die erotischen Graffiti finden sich unter und rechts neben einer stelen-förmige Inschrift des Neferhotep auf der östlichen Wand. Diese bot als einzige Wand in der Grotte eine einfach zu bemalende, ebene Fläche an. Alle anderen Graffiti sind auf unebenen Flächen gemalt worden und konnten zum Teil nur in äußerst unbequemer Lage erstellt werden. So findet sich an der Decke ein (laut Wente, 1984, unveröffentlichtes) Graffito eines gewissen Nebwa, Priester am Totentempel des Thutmosis I. Wente schloss daraus, dass die Graffiti auf der Ostwand ziemlich früh im Vergleich zu den anderen Darstellungen oder Inschriften in der Grotte entstanden sein müssten.

Das Foto oben zeigt die Ostwand der Grotte mit dem Graffito des Neferhotep, darunter ein Paar beim Geschlechtsakt.

Das Foto zeigt die das erwähnte Paar beim Geschlechtsakt "a tergo". Die Dame fällt durch eine üppige Perücke und "fehlende" Brüste auf. Die Szene ist ca. 25 cm hoch.

Rechts von der "Stele" des Neferhotep sind zwei Männer zu sehen. Oberhalb des vorderen Mannes wurde eine weitere stelen-förmige Inschrift begonnen, aber nicht vollendet.  Der kleinere der beiden ganz rechts ist mit einem übergroßen erigierten Phallus dargestellt.

Bei der Betrachtung der Wand fällt auf, dass die Darstellung des Paares beim Geschlechtsakt von keinerlei Beischriften begleitet ist. Dagegen finden sich in der Umgebung des größeren Mannes rechts mehrere Inschriften (nach Wente 4 vor der großen Figur, eine über deren Kopf). Die Inschriften vor der Gestalt lauten:

1 - Der dritte Prophet des Amun Pahu, geboren von der Dame des Hauses ....

2 - Der dritte Prophet des Amun in Djeser djeseru Aapehty, gezeugt von den Schreiber und Gottesvater des Amun, der Zugang hatte zu den Geheimnissen ... in Karnak, Merymaat

3 - Der zweite Prophet des Amun in Djeser djeseru - er ist einer, der sich einen Namen gemacht hat  - der Schreiber .... Amenemhat, geboren von der Dame des Hauses, Sat-....

4 - Da kamen .....

Diese 4 Inschriften nennen folglich Priester, vor allem solche, die am Tempel Djeser djeseru dienten. In der Figur meint Romer (1982) Senenmut identifizieren zu können. Wente widerspricht Romer, denn in der Inschrift über der Figur sind weder Name noch Titel des Senenmut enthalten. Wente meint in den erhaltenen Textspuren möglicherweise den Titel "Steinmetz" zu erkennen.

Trägt man die Informationen zusammen, so ergibt sich folgendes Bild:
1. - das Paar beim Geschlechtsakt hat keine Beischrift
2. - die Texte in der Umgebung der erotischen Szenen nennen - sofern erhalten - Beamte oder Priester, ihre Namen, und vereinzelt den Tempel, dem sie angehörten
3. - in allen benachbarten Texten finden sich keine Bezüge zu (oder Nennungen von) Hatschepsut oder Senenmut
4.- zwischen den Texten und den Darstellungen lassen sich mit Sicherheit keine anderen Verbindungen herstellen, außer dass sie benachbart sind
5.- alle Personenidentifikation beruhen daher auf Interpretationen der Darstellungen bzw. Vermutungen, z.B.:
5.1 - da neben den Texten die erotischen Szenen stehen (zu denen es keine Bezüge in den Texten gibt), wurde geschlossen, dass die Szenen und die Texte aus der gleichen Zeit stammen 
5.2 - die weibliche Figur des Paares trägt ein Haartracht, die aussieht wie die Perücke einer Königin - daraus wurde geschlossen, dass es Hatschepsut sein "muss"
5.3 - der große Mann in der Mitte trägt eine ungewöhnliche Kappe (oder Hut), wie sie hin und wieder Oberaufseher trugen - daraus wurde geschlossen, dass es Senenmut sein "muss" 
5.4 - der kleine nackte Mann hinter der Dame "muss" ebenfalls Senenmut sein, denn die Zeichnung seines Kopfes ähnelt der Zeichnung des Kopfes mit Kappe des großen Mannes
 
Romer "erkennt" in dem Paar eine Darstellung von Hatschepsut und Senenmut, Wente folgt ihm in Bezug auf Hatschepsut, sieht aber keine Verbindung zu Senenmut.

Interessant sind auch die weiteren "Schlussfolgerungen" von Romer oder Wente auf Basis ihrer Identifikation der "beteiligten" Personen:
6.1 - gemäß der ägyptischen Ikonographie erwartet man bei der Darstellung einer Königin nicht nur eine königliche Perücke, sondern auch den königlichen Uräus, das Fehlen in der Szene ist daher erklärungsbedürftig:
- daher wurde gefolgert, der "Künstler" habe bei der Zeichnung der Königin absichtlich despektierlich sein wollen und daher der königlichen Insignien weglassen 
6.2 - da das Fehlen des Uräus erklärungsbedürftig ist, ist es das Fehlen der Brüste erst recht:
- hier, so wurde gefolgert, habe der "Künstler" auf die Zweideutigkeit der Tatsache angespielt, dass auf dem Pharaonenthron kein "starker Stier" sondern eine Frau saß
Beide, Romer und Wente, sehen in der Darstellung daher eine politische Anspielung auf die Zweideutigkeit der Tatsache, dass eine Frau den Thron des "starkes Stiers" usurpiert hat - aber keine Darstellung einer realen Beziehung zwischen Hatschepsut und Senenmut.

 


Copyright: Dr. Karl H. Leser (Iufaa)