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Maat-ka-Ra Hatschepsut  | 
last update: 
16.10.2008
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Gebel es-Silsilah
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| GPS-Koordinaten | 
  | 
  | 
 
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Latitude: | 
24° 38' 46.84 N | 
 
|   | 
Longitude: | 
32° 55' 46.31 E | 
 
 
 
 
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Wenn man den Nil flussaufwärts fährt, passiert man ca. 150 km 
südlich von Luxor die Felsdenkmäler von Gebel es-Silsilah. Der moderne arabische 
Name Gebel es-Silsilah bedeutet in etwa "die Felsen mit der Kette" und geht wohl 
darauf zurück, dass früher eine Kette quer über den Fluss gelegt worden war, um 
die Durchfahrt zu kontrollieren. Der alte ägyptische Name lautete
$nw, $nj (= Ort des Ruderns). | 
 
 
 
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Ab dem Mittleren Reich 
bis in die römische Zeit wurden beiderseits des Flusses kontinuierlich 
Sandsteine für die pharaonischen Bauten gebrochen. Im größeren Umfang begann der 
Abbau des Sandsteins offensichtlich in der Regierungszeit der Hatschepsut, vermutlich im Steinbruchgebiet 
3 in Silsilah-West, wo Hatschepsut z.B. die Steine für die Tempel der Satet und des Chnum 
auf der Insel Elephantine brechen ließ. 
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| An die im Süden gelegene Verladerampe für die Steine begrenzt, 
schließt sich nach Norden das Abbaugebiet 3 mit insgesamt 32 Baudenkmälern an, 
deren Reihe im Norden nach ca. 195 m durch den Speos des Haremhab abgeschlossen 
wird.
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 Speos des Haremhab in Gebel es-Silsilah (Foto E. Noppes)
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| Die folgende Tabelle gibt eine Übersicht über die Erbauer der 
Kapellen, sofern sich diese bisher identifizieren ließen. Auffallend häufig 
vertreten sind Offizielle aus dem Anfang der 18. Dynastie, besonders aber aus 
der Zeit der Hatschepsut und des Thutmosis III. | 
 
 
 
 
| Schrein Nr. | 
Name / Umschrift | 
Datierung   | 
 Distanz zum Speos des Haremhab [~ m]  | 
Anmerkungen | 
 
| 1 |   | 
  | 
195 | 
keine Inschriften | 
 
| 2 |   | 
  | 
199 | 
keine Inschriften | 
 
| 3 |   | 
  | 
228 | 
keine Inschriften | 
 
| 4 | 
ev. ein Djehutjmose | 
Ende der 18. Dynastie oder kurz danach 
  | 
231 | 
  | 
 
| 
5 | 
Min (Menu) | 
Thutmosis III. | 
237 | 
  | 
 
| 
6 | 
Ahmose,  JaH-msw  | 
gemeinsame Regierungszeit Hatschepsut und Thutmosis III. | 
249 | 
  | 
 
| 
7 |   | 
gemeinsame Regierungszeit Hatschepsut und Thutmosis III. | 
255 | 
  | 
 
| 8 |   | 
  | 
280 | 
keine Inschriften | 
 
| 9 |   | 
  | 
292 | 
keine Inschriften | 
 
| 10 |   | 
  | 
304 | 
keine Inschriften | 
 
| 
11 | 
Senynefer, Hatschepsut, und andere | 
Amenophis II. | 
337 | 
  | 
 
| 
12 | 
Min-nakht | 
Thutmosis III. | 
364 | 
  | 
 
| 
13 | 
Senneferi | 
gemeinsame Regierungszeit Hatschepsut und Thutmosis III. | 
367 | 
  | 
 
| 
14 | 
Nehesj NHsj  | 
gemeinsame Regierungszeit Hatschepsut und Thutmosis III. | 
370 | 
  | 
 
| 
15 | 
Hapuseneb 
¡pw-snb  | 
Hatschepsut | 
373 | 
  | 
 
| 
16 | 
Senenmut 
%n-n-mwt | 
Hatschepsut | 
376 | 
  | 
 
| 
17 | 
User-amun Wsr-Jmn  | 
Thutmosis III. | 
379 | 
  | 
 
| 18 |   | 
Amenhotep II. | 
387 | 
  | 
 
| 19 |   | 
  | 
394 | 
keine Inschriften | 
 
| 20 |   | 
ev. Thutmosis I. | 
418 | 
keine Inschriften | 
 
| 21 | 
Menkh | 
Thutmosis I. | 
422 | 
  | 
 
| 22 |   | 
gemeinsame Regierungszeit Hatschepsut und Thutmosis III. | 
428 | 
  | 
 
| 23 | 
Min-nakht | 
gemeinsame Regierungszeit Hatschepsut und Thutmosis III. | 
429 | 
  | 
 
| 24 |   | 
  | 
494 | 
keine Inschriften | 
 
| 25 | 
Amenemhat | 
ev. Amenhotep II. oder Thutmosis IV. | 
541 | 
  | 
 
| 26 | 
ein Vizekönig von Kusch (Merimose?) | 
Amenhotep III. | 
567 | 
  | 
 
| 27 |   | 
  | 
577 | 
  | 
 
| 28 |   | 
  | 
588 | 
keine Inschriften | 
 
| 29 |   | 
  | 
600 | 
  | 
 
| 30 |   | 
gemeinsame Regierungszeit Hatschepsut und Thutmosis III. | 
664 | 
  | 
 
| 31 | 
Neferkhewe | 
Thutmosis III. | 
669 | 
  | 
 
| 32 |   | 
  | 
680 | 
keine Inschriften, 
zerstört | 
 
 
| Alle Daten nach Caminos, 1963
 | 
 
 
 
 
| Diese Baudenkmäler wurden mal als Grotten, Gräber, Kenotaphe, 
Schreine, Kapellen oder Felstempel bezeichnet. Die unterschiedlichen 
Bezeichnungen reflektieren die Unsicherheit darüber, welchen Zweck sie gedient 
haben könnten. Diese Unsicherheit wurde auch nicht behoben, als man feststellte, 
dass die meisten Besitzer in Theben-West eine vollständige Grabanlage besaßen.
Die jüngste Interpretation (Bommas) erkennt, ausgehend vom Inhalt der 
Wandinschriften, in diesen Bauten Opferkapellen.  | 
 
 
 
 
| Die Kapellen zeigen eine eindeutige Ost-West-Ausrichtung, d.h. 
der Eingang zu den Kapellen, die mehrheitlich nur aus einem einzigen, in den 
Fels gehauenen Raum bestehen, liegt auf der Ostseite zum Nil hin.
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| Auf dem Türsturz findet sich in der Regel der Name des 
Herrschers, unter dem der Inhaber sein Amt verrichtet hat und dessen Gunst den 
Bau der Kapelle ermöglich hat. Darüber findet sich als Abschluss noch die 
geflügelte Sonnenscheibe. Auf den Türrahmen sind Opferformeln festgehalten. Auf 
den Wänden finden sich bei vielen Kapellen Gastmahlszenen, Totenopfer, 
Opferlisten, und Reinigungsriten. | 
 
 
 
| Auf der rückwärtigen Wand der Kapellen, der Westwand, finden sich 
gelegentlich Sitzstatuen des Inhabers- mit oder ohne seine Verwandten. Derartige 
Darstellungen findet man ebenfalls in der thebanischen Nekropole. Bei den 
Besitzer handelt es sich durchgehend um die Vertreter der "Beamten-Elite" dieser 
Epoche. | 
 
 
 
| Nirgendwo dagegen findet sich eine Scheintür, was darauf 
hindeutet, dass in diesen Kapellen niemals eine Bestattung der Besitzer 
vorgesehen war.
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| Die Lage der Kapellen unmittelbar am Fluss ist für die Frage 
nach deren Sinngehalt von zentraler Bedeutung. Die Kapellen liegen durchweg im 
Überschwemmungsbereich des jährlichen Nilhochwassers von Mai bis Ende August / 
Anfang September. Dies ist allerdings nach dem Bau des Staudammes bei Assuan 
nicht mehr zu beobachten. Heute liegen die Kapellen 4 - 5 m oberhalb des  
Wasserspiegels. Allerdings zeigen Erosionsspuren in den Kapellen 12 - 
17 sowie Fotos vom Anfang des 20. Jahrhunderts dass diese Kapellen überflutet 
wurden.
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Lediglich die Kapellen 1, 2 und 11 liegen deutlich über dem 
Überschwemmungsniveau, die Kapelle 19 deutlich darunter. Die Kapellen 30 - 32 
wurden auf Niedrigwasserniveau angelegt, d.h. sie wurden bei steigender Nilflut 
als erste und ggf. auch vollständig überflutet. 
 
Es kann kein Zufall sein, dass nahezu 80% der Kapellen bei Nilhochwasser zumindest 
auf Fußbodenniveau überflutet werden.
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| Heutige Lage der Kapellen im Vergleich zum Wasserspiegel Mitte 
November - die Eingänge der Kapellen liegen heute deutlich über dem Niveau des 
Nils und sind in der Regel von der Flussseite her nicht mehr begehbar (Foto E. 
Noppes).
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| Bommas verweist daher im Zusammenhang mit der zyklisch 
wiederkehrenden Überschwemmung durch den Nil auf die damit verbundene 
Regeneration des Landes. Erst die wiederkehrende Überflutung der Felder durch 
den Nil sichert das (neue) Leben. Die materielle Versorgung im Jenseits gehört 
zu den wichtigsten Wünschen des Verstorbenen. Daher soll der Nil nicht nur die 
irdischen Felder überschwemmen, sondern auch den Weg zu dem Verstorbenen (zu 
seinem Grab) finden 
und dessen jenseitige Felder überfluten.
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Der Wunsch des Toten nach der Anwesenheit des Nils bzw. der 
Überschwemmung seines  Grabes lässt sich mehrfach belegen, z. B. durch den 
Spruch 169 (Zeilen 118 u. 119) aus dem Totenbuch (Hornung, 1998): "...
 Die Überschwemmung (Hapi) schlägt Wellen auf Deiner Brust,
 und nützlicher ist es für Dich als das, was auf dem Opferstein eingeschnitten 
steht. ...". | 
 
 
 
| Nach dieser Textstelle im Totenbuch ist die jährliche 
Überflutung durch den Nil bedeutender, als ein in Stein gemeißeltes Gebet - das 
seine Wirksamkeit ja erst entfaltet, wenn es ausgesprochen wird.
Allerdings liegen die meisten altägyptischen Nekropolen aus guten Gründen 
außerhalb des Überschwemmungsbereiches der Nilflut. Die Hoffnung, dass die 
Nilflut das Grab erreichen würde, war somit sehr gering.
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| Der Nilverlauf bei Gebel es-Silsilah wird durch eine 
geologische Besonderheit bestimmt. Im Gegensatz zu anderen Uferstellen in 
Ägypten verengt sich hier das Flussbett durch ufernahe Sandsteinfelsen. Vor dem 
Bau des Staudammes verteilte sich das Wasser in 
der Überschwemmungszeit nicht breit über die Felder, sondern 
staute sich durch die natürliche Verengung nicht nur höher sondern auch zeitlich früher in 
der Vertikalen auf als anderswo. Hier manifestierte sich die Nilflut somit 
beeindruckender als anderswo. | 
 
 
 
| Dieser Effekt ist nach Bommas von wesentlicher Bedeutung für 
das kultische Verständnis der Kapellen von Gebel es-Silsilah. Nach seiner 
Ansicht wurde diese imponierend hohe Nilflut als Ausdruck des Urwassers 
angesehen, meistens, wie mehrere Inschriften in den Kapellen belegen, in der 
Gestalt des Gottes Nun.
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| Hier in Gebel es-Silsilah ließ sich daher der Wunsch nach der 
nachtodlichen "Versorgung" durch die Nilüberschwemmung "realisieren", denn die 
Kapellen konnten nicht nur nahe am Fluss, sondern auch in der 
Überschwemmungszone angelegt werden. Dies würde auch die enge Anlehnung der 
Architektur und der Dekoration der Kapellen an die Ausgestaltung der 
Grabkapellen in Theben erklären, die vermutlich bewusst gewählt wurde, um die 
Unterschiede zu den Kapellen in der Nekropole möglichst gering zu halten. Auch 
eine Gefährdung der Existenz im Jenseits durch die zerstörerische Kraft des 
Wasser war hier, fernab der eigentliche Grabanlage, gebannt. Kein anderer Ort im 
alten Ägypten scheint daher geeigneter gewesen zu sein, dem Verstorbenen den 
Wunsch nach garantiert wiederkehrender Regeneration zu erfüllen.
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| (Reinigung und) Regeneration des Verstorbenen wurden eigentlich 
in kultischen Handlungen sichergestellt. Ob in Gebel es-Silsilah tatsächlich ein 
dauerhafter Totenkult von den Hinterbliebenen durchgeführt wurde, lässt sich 
nicht nachweisen. Dies ist nach Ansicht von Bommas aber auch irrelevant, denn 
(Reinigung und) Regeneration werden durch die jährliche Nilüberschwemmung selber 
in Gang gehalten. | 
 
 
 
 
| Nach der Ansicht von Bommas sind die im Hochwasserbereich 
errichteten Kapellen von Gebel es-Silsilah der Stein-gewordene Wunsch ihrer 
Erbauer nach regenerativer Versorgung im Nachleben durch die wiederkehrende 
Überflutung durch den Nil. Gerade die zyklische Wiederkehr der Nilflut macht die 
nachtodliche Versorgung zudem unabhängig von den Unwägbarkeiten eines 
Totenkultes, der von den hinterbliebenen Angehörigen durchgeführt werden soll.
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