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Der nördliche Portikus der 2. Terrasse |
update:
29.08.2010
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Die 2. Terrasse des Tempels wird nach Norden durch einen ca. 37 m breiten und
ca. 5 m hohen unfertigen Portikus begrenzt. Im Gegensatz zu allen anderen
Portikus im Tempel
hat dieser eine Kolonnade mit nur einer Säulenreihe, die aus insgesamt 15 proto-dorischen Säulen
mit 16 Seitenflächen besteht. Die volle Höhe der Säulen beträgt
im Mittel vom Kapitell aus 4.30 m. Der Abstand zwischen den einzelnen
Säulen liegt auf Höhe der Kapitelle bei rund 1.5 m (Winlock, 1930; Wysocki,
1984, 1985a). |
In der Felswand hinter der Kolonnade waren 5 Kapellen
vorgesehen, deren Eingänge in der Stützmauer liegen sollten. Von den 5 Kapellen
wurden allerdings nur 4 (siehe Grundriss unten; A - D) gebaut. Die westlichste
Kapelle A ist etwas größer (1.57 x 3.16 ms) als die anderen drei (1.55 x 2.61
ms). Alle Kapellen liegen eine Stufe über dem Boden der Kolonnade (Naville, E., The Temple of Deir el-Bahari, Part
II. London 1894-1908, S. 8). |
Der Eingang zur Kapelle A liegt zwischen der 2. und 3., der von B zwischen 5.
und 6., der von C zwischen der 8. und 9., und der von D zwischen der 11. und 12.
Säule. Zwischen der 15. und 16. Säulen befindet sich ein großer Steinblock, der
an einen Türsturz erinnert, in der Wand, der vermuten lässt, dass dort der Eingang einer weiteren Kapelle
gebaut werden sollte (Naville, loc. cit.). |
Alle Kapellen haben eine gewölbte Decke und die drei östlichen eine Sitzbank auf
der nördlichen Innenseite.
Das Innere der Kapellen blieb unvollendet, die Wände sind plan und ohne
Dekoration .
Für welchen Zweck diese Kapellen vorgesehen waren, ist nicht bekannt. |
Nach Funden von Naville wurden die Kapellen in späterer Zeit anscheinend als
Werkstätten von Einbalsamierern benutzt. |
Der Portikus liegt auf einem Sockel rund 0.3 m über dem Niveau der 2. Terrasse. |
Das ganze Bauwerk ist, mit Ausnahme der Architrave über den 8
westlichen Säulen, mit Kalkstein errichtet worden. Die Architrave wurden aus
einem Sandstein mit violetter Färbung gefertigt. |
Wysocki war der Ansicht, dass die bautechnische Ausführung von schlechterer
Qualität war, als im restlichen Tempel. Die Blöcke, mit denen die Mauer
errichtet wurde, waren kleiner, unterschieden sich in der Größe, oder waren
schlechter mit Mörtel verbunden. Die Mörtellagen waren nicht gleichmäßig und
zahlreiche Stufen vermitteln den Eindruck von irregulären Steinlagen. |
Naville vermutete wegen der violetten Farbe der Architravblöcke, dass diese vom
benachbarten Tempel des Mentuhotep Nebhepetra entfernt und im nördlichen
Portikus wiederverwendet wurden. Dies wurde von Wysocki verworfen, da die Blöcke
andere Dimensionen in Höhe und Breite haben als die Blöcke von Mentuhotep.
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Der Portikus wurde nicht fertig gestellt. Die westliche Seite
ist fast vollständig erbaut worden, aber etwa ab der Mitte
fehlen auf der östlichen (rechten) Seite die Architrave über den Säulen. Die
östlichste Kapelle (f) wurde nicht mehr realisiert, und das ganze Gebäudeteil ist
undekoriert. Allerdings lassen Werkzeugspuren vermuten, dass die Steinblöcke
noch für eine zukünftige Dekoration vorbereitet wurden, als die Arbeit am
Portikus eingestellt wurde. |
Nachdem die Arbeiten am nördlichen Portikus eingestellt worden
waren, blieben die Aushubreste der Kapellen, die man auf der 2. Terrasse
angehäuft hatte, dort bis in die Neuzeit liegen |

An der westlichen Ecke ist der Strebepfeiler des Vestibüls der
unteren Kapelle des Anubis nicht mit dem nördlichen Portikus verbunden, der
nördliche Portikus lehnt sich nur an die Kapelle an. Die Trennlinie zwischen den
beiden Bauwerken ist heute noch zu erkennen (siehe Foto oben). Wysocki
vermutete, dass das nördliche Ende der Fassade der Anubis-Kapelle einst
dekoriert war. Dieser Bereich wird jetzt vom nördlichen Portikus überdeckt, so
dass es nicht möglich ist, diese Vermutung zu überprüfen. |
Der nördliche Portikus war unzweifelhaft die letzte größere Maßnahme zur
Erweiterung des Tempels. Wie Wysocki (1984, 1985a) zeigen konnte, ist der nördliche Portikus nicht mit dem Mauerwerk des 2. Portikus verbunden, sondern lehnt sich
an die nördliche Seite der unteren Anubis-Kapelle nur an. Das bedeutet, die 2.
Terrasse war wohl (weitgehend) fertig erbaut worden, bevor mit den Arbeiten am
nördlichen Portikus begonnen wurden. |
Andererseits ist der nördliche Portikus, wie oben beschrieben, nicht fertig
geworden. Darüber interpretierte Wysocki die Verwendung von unregelmäßigen
Steinen in der Stützmauer vor der nördlichen Felswand als Hinweis auf eine
beginnende "Knappheit" an Material.
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Es stellt sich somit die Frage, wann wurde der nördliche Portikus erbaut,
und warum wurde er nicht vollendet. |
Nach Ansicht von Naville (in: Naville, E., The Temple of Deir
el-Bahari, Part VI. London 1894-1908, S. 14) musste man den unfertigen Zustand
des nördlichen Portikus in Verbindung mit dem Tode der Hatschepsut sehen.
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1929 entdeckte Winlock das teilweise ausgeraubte Grab der Königin Merit-Amun, TT358 (siehe folgende Zeichnung).
Dessen Eingang (b), ein flacher senkrechter Schacht, liegt ungefähr 4.5 m hinter
der nord-östlichen Ecke des Portikus. |

Grundriss des nördlichen Portikus und Lage des Grabes TT358
der Merit-Amun (aus Wysocki, 1984, modifiziert). |
b - e |
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B = Einstiegsschacht zu TT358; c = Eingangspassage, d = Schacht, e
= Grabkammer |
g |
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Säulenhalle vor der Unteren Kapelle des Anubis |
1 - 15 |
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Säulen der Kolonnade |
Die Eingangspassage (c) führt unter die östlichen Seite des nördlichen Portikus,
biegt unter den Säulen 11 und 12 führt nach Norden ab und führt zu einem
senkrechten Schacht (d). Ein kleiner Seitengang geht kurz nach dem Knick in
westlicher Richtung ab und endet unter dem Portikus zwischen den Säulen 8 und 9.
Hinter dem Schacht folgt ein größerer Raum, der zur Grabkammer (e) führt. |
Zwischen 4,5 und 5 m hinter dem Einstiegsschacht wurde bei der
Ausschachtung des Ganges an der Decke das Fundament der nördlichen Stützmauer
des Portikus freigelegt. Auf der linken Seite des Ganges exponierte man ca. 25
cm des Fundamentbettes, und im Dach des Ganges legte man einen oder zwei der
Fundamentblöcke frei. Da sich der Gang mit einem Gefälle ca. 8 cm pro Meter
fortsetzte, wurden keine weiteren Blöcke des Fundaments freigelegt. Das keine
Blöcke aus dem Fundament des nördlichen Portikus in den Gang stürzten, erklärte
Winlock damit, dass die Blöcke eng verfugt worden waren und der Mörtel zwischen
ihnen ausgehärtet war, bevor der Gang gegraben wurde (Winlock, H.E., The Tomb of the Queen Meryet-Amun at Thebes. New York 1930). |
Aufgrund dieser Beobachtungen schloss Winlock wohl zutreffend,
dass der nördliche Portikus zeitlich vor dem Grab errichtet worden ist,
anderenfalls wären, wenn man beim Bau des Portikus auf ein vorhandenes Grab
gestoßen wäre, 1. wohl ein größerer Teil der Decke in den Gang gestürzt, und 2.
es wäre ohne Stützmauer im Gang nicht möglich gewesen, die großen
Fundamentblöcke über das Loch zu legen. |
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